21 Januar, 2017

Wird das Tesla Model 3 der neue VW Käfer?

Dass ich begeistert bin von Tesla, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht mehr zu erwähnen. Es ist jedoch anders als bei Saab. Der Saab Virus infizierte mich mit meinem ersten Auto. Auf der Suche nach Identität hat das nicht alltägliche Image von Saab sicher geholfen meine Begeisterung zu entfachen. Saab fand man entweder hässlich (eher die Mehrheit) oder cool ;-). Diese Begeisterung hat nicht nachgelassen und meine Partnerin und ich gehörten wohl in der Schweiz zu den letzten, die die Bestellung für den neuen 9-5 Sportcombi (der nie hergestellt wurde) zurück gezogen hatten.

Die Begeisterung von Tesla fusst mehr auf der Philosophie der Marke und dem Ziel von Elon Musk vom Erdöl unabhängig zu werden. Ich empfehle allen die Biografie über Musk von Ashlee Vance, keine Autobiografie und daher auch keine Lobhudelei an ihn, sondern eine gut recherchierte und spannend geschriebene Geschichte. Wer denkt, dass es ihm nur um Geld geht, irrt sich aus meiner Sicht gewaltig. Sein Antrieb gründet viel tiefer.

Ich versuche ökologisch und nachhaltig zu leben, aber ohne Askese. Und ein E-Mobil nur aus Umweltgründen hätte ich mir wohl nie gekauft. Wenn man bis vor ein paar Jahren den Automanagern zuhörte, war etwas anderes aber gar nicht möglich. Gut, dass Musk kein deutsch verstand ;-)

Mittlerweile finde ich jedoch die Disruption, der interessanteste Aspekt. Das Wort ist in und wird auch viel missbraucht, aber in diesem Zusammenhang ist es absolut passend. Ich möchte Tesla auch nicht mit Apple vergleichen, wie das oft gemacht wird (auch wenn sie es geschafft haben, Leute anstehen zu lassen um ein Auto zu bestellen) sondern etwas viel langweiligerem - mit Laufwerken.

Ein anderes Buch, welches ich vor kurzem gelesen habe "The Innovator's Dilemma" ist zwar etwas trocken geschrieben, aber der Inhalt hat es in sich! Diese Buch zeigt u.a. auf wie es nur wenige Hersteller geschafft haben von einem 8-Zoll Laufwerk auf ein 5.25-Zoll Laufwerk zu wechseln. Dasselbe von 5.25 Zoll auf 3.5 Zoll und unglaublicher weise auch von 3.5 Zoll auf 1.8 Zoll! Da wundert man sich doch, denn es handelt sich um eigentlich dasselbe Produkt und dennoch waren die Unternehmen nicht fähig sich anzupassen. Warum? Und wo liegen die Parallelen zum Automobilbau?

Für mich ein wichtiger Punkt, die Fokussierung auf die falschen Wünsche der Kunden. Frei nach Henry Ford: "Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie sich wünschen, hätten sie gesagt; schnellere Pferde." Wenn die klassische Automobilindustrie heute (resp. vor ein paar Monaten) gefragt hätte, was sich die Kunden wünschen, wären wohl Antworten wie, weniger Verbrauch, mehr Leistung, günstigerer Preis gekommen. Verständlich, denn man möchte was man kennt, einfach besser. Nur die wenigsten können visionär in die Zukunft schauen und sagen, "ein Auto ohne Emissionen, mit Sonnenenergie getankt, welches von alleine fährt und Spass macht" und wenn, würden sie sich nicht getrauen, das in einer Umfrage zu antworten (ha, ha was für ein Spinner).

Also was machen Mercedes, Audi, BMW und all die anderen, sie bauen was sie gesagt bekommen, was die Menschen wünschen, da kann man ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen. Alle sind zufrieden, der Kunde bekommt was er will, der Hersteller verdient einfaches Geld, da er nicht alles umkrempeln muss. Hinterhältiger weise tickt der Kunde aber anders. Er hat ganz klar Minimalanforderungen an ein Produkt, die ist aber heutzutage meist tiefer als was erhältlich ist. Lederausstattung - in jedem Kleinwagen eine Option. Klimaanlage, geht nicht ohne. Automat, Tempomat, Musikanlage, Navigation etc. etc. alles dabei. Mein Saab 9-5 Kombi aus dem Jahr 2006 hat es an nichts gefehlt, was heutige 5er BMW's, 6er Audi's und Mercedes bieten. Vielleicht eine automatische Heckklappe, aber deswegen kauft man doch kein neues Auto sofern es seinen Dienst noch verrichtet. So ging es auch meinem Schwiegervater als er seinen 10-jährigen Honda Accord gegen einen neuen Jaguar XF eintauschte! Klar, alles war einwenig besser, aber so wirklich revolutionär? Nichts! Dass die Autobranche mittlerweile an "overengineering" leidet, zeigen auch Features wie 9-Gang Getriebe. Also kaufen die Leute weil sie müssen, weil ihr altes Auto den Geist aufgibt oder man einfach kein Auto fahren möchte, welches älter als X-Jahre ist.

Und hier kommt die Disruption ins Spiel. Ein Auto mit Elektroantrieb ist wirklich innovativ und anders, dieses Auto wird gekauft weil es den Aufbruch in eine neue Zeit signalisiert. Die untenstehende Tabelle zeigen die Vor- und Nachteile:

Anforderung Elektro ICE (Benziner/Diesel)
Reichweite - (ausser Tesla)+
Emissionen +-
Unterhalt/Wartung +-
Anschaffungskosten -+
Motorleistungen +-
Platzangebot +-
Energieverbrauch +-
Lärmemissionen +-
Gewicht -+
Gewichtsverteilung +-
Traktion +-

Im Hintertreffen ist das Elektroauto bei Reichweite, Anschaffungskosten und Gewicht.

Reichweite
Wenn man davon ausgeht, das Elektroauto nicht als Stadt- oder 2. Wagen einzusetzen, reichen 150km realistische Reichweite eben nur knapp, da man doch ab und zu weitere Distanzen zurück legt. So scheint mir die Definition einer "nützlichen" Reichweite von 300km sehr realistisch, sofern unterwegs schnell genug aufgeladen werden kann. Auch hier ist mehr=besser aber es hat Konsequenzen (teurer und schwerer) womit man den optimalen Kompromiss finden muss.
Tesla hat dieses Problem bereits mit hoher Batteriekapazität und mit den Superchargern gelöst, aber das Auto ist leider immer noch ziemlich teuer.

Anschaffungskosten
Dank diesem Punkt haben Benziner überhaupt noch eine Chance. Und der Hauptkostentreiber ist die Batterie. Aber wenn man sieht wieviel Zeit, Geld und Aufwand in neue, bessere und günstigere Batterien investiert wird und da meine ich nicht nur die Gigafactory, dann kann man davon ausgehen, dass die Preise weiterhin massiv fallen. Hier eine Grafik wann der Akku preislich wettbewerbsfähig ist.



Gewicht
Beim aktuellen Stand der Technik bleibt das Gewicht wohl noch länger ein Nachteil, aber der ist nicht so relevant, da Elektromotoren viel leistungsfähiger sind und deswegen nicht mehr Energie verbrauchen, ganz im Gegenteil zum Benziner. Tesla bringt es mit seinem Topmodell P100D auf 700 PS und es verbraucht innerorts sogar weniger Energie als das massiv schwächere Model S 60 bei einem Spurt von 0 auf 100 in 2,6 Sek! Hier die Daten von Wikipedia. Das ist schon fast die Quadratur des Kreises! Durch die optimale Gewichtsverteilung mit der Batterie im Boden entsteht zudem ein Vorteil bei der Fahrdynamik und dem Handling.

Also wir sehen, der Dammbruch steht bevor, sobald die Batteriekosten wirklich wettbewerbsfähig sind, dann gibt es keinen Grund mehr einen Benziner zu kaufen. Prognostiziert wird das für das Jahr 2018, ziemlich genau mit dem Roll-out des Tesla Model 3.

Jetzt könnte man wie der Fiat/Chrysler Chef Sergio Marchionne sagen: "Wenn Tesla das Model 3 gewinnbringend herstellen kann, kopieren wir es einfach". Das mag eine Strategie für Fiat/Chrysler sein, die sich noch nie besonders innovativ gezeigt haben. Aber bei Audi "Vorsprung durch Technik", Mercedes "Das Beste oder nichts" oder BMW "Freude am Fahren" können die höheren Premium-Margen nur durchgesetzt werden, wenn das die Kunden auch glauben. D.h. es geht um Glaubwürdigkeit und Image. Bis anhin haben das die Deutschen wirklich super hingekriegt, aber wie sieht es in der Zukunft aus. Wer attestiert ihnen im Bereich der Elektromobilität die Führungsrolle? Ausser Zetsche glaubt wohl niemand, dass dies Mercedes sein wird. Audi annonciert einen "Tesla-Killer" der in 2018 besser sein soll, als das bereits jetzt verfügbare Model X. "Vorsprung durch Technik" sieht anders aus. BMW ist aus meiner Sicht in der Besten Ausgangslage und macht mit der "i" Serie einen Versuch, leider nur halbherzig. Der i8 ist schlichtweg kein Elektroauto, es ist ein schön designter aber schlussendlich unpraktischer Hybrid-Sportwagen, das sieht man auch in der Verkaufszahlen. In der Schweiz gehen nicht einmal 10 Autos im Monat über die Ladentheke, gegenüber über 120 Teslas. Der i3 hat Potenzial, muss aber noch einiges aufholen.

2018 - Der Anfang vom Ende des Verbrennungsmotores
Das Jahr 2018 wird in Sachen Elektromobilität spannend ;-). Kann Tesla das Model 3 in ausreichender Stückzahl produzieren? Wieweit haben sich die Batteriekosten verringert? Hält die Gigafactory was sie verspricht? Was machen die anderen Hersteller und können sie ihre Ankündigungen liefern? Was machen die Chinesen (denn die sind aktiver als man denkt)?

Im unteren Chart sieht man, was die Leute kaufen würden, wenn es Tesla nicht gäbe. Als grosser Verlierer sind die deutschen Hersteller gelistet und sie haben schlichtweg keine Antwort. Wo die grössten Verluste wegen des Model 3 zu erwarten sind:



Das Problem wird aber nicht erst in 2018 auftreten, schon 2016 und 2017 werden die 400'000 Vorbesteller des Model 3 kein neues Auto anschaffen und ihr altes ausfahren. D.h. die Verkaufszahlen kommen schon jetzt in Bedrängnis.

Erste Zahlen die das bestätigen, die aktuellen Verkaufszahlen des 3er BMW in den USA



Um den Verkauf anzukurbeln und den Leuten das Gefühl zu geben etwas neues, besseres zu kaufen werden USP's erfunden wie 9-Gang Getriebe! Wer braucht ein 9-Gang Getriebe? Dass 4-Gänge nicht reichen OK. 5-Gänge sind vielleicht auch noch etwas knapp. Aber alles mehr als 6 Gänge ist einfach kein USP mehr! Nappaleder, anstelle von "normalem" Leder, gähn. Der Grenznutzen sink rapide und höhere Preise lassen sich immer weniger rechtfertigen

Aber seitens der digitalen Revolution sehen die Deutschen nicht gut aus. Porsche hat dieses Jahr gross Navigationssysteme mit Echtzeit Verkehrsinformationen angekündigt! Wow! Smartphones, TomToms und Google können das schon seit Jahren, ganz zu schweigen von Tesla ;-). Spurhalteassistent, adaptiver Tempomat, Stauassistent, toter Winkel Assistent etc. etc. sind zwar technische Neuerungen, die es schon eine Weile in deutschen Autos gibt, aber einzeln machen sie wenig Sinn. Zusammen gefügt und als komplettes System hingegen schon. Und auch hier hinken ALLE dem Newcomer Tesla hinterher! Das sollte den deutschen Automobilherstellern fast mehr zu denken geben.

Man könnte gemeinhin denken ob man nun einen Benzin- oder Elektromotor einbaut, wo ist der Unterschied? Menschen sind Gewohnheitstiere, woran man sich gewöhnt hat, das ändert man nicht so schnell. Hätte Apple (den Vergleich muss ich doch machen) mit einem klassischen Telefon Nokia vom Thron stossen können? Nein, wohl kaum. Nokia war in diesem Bereich unangreifbar. Aber eben bei den Featurephones und nicht bei den Smartphones! In dieser neuen Kategorie hatte Nokia keine Chance und der Niedergang kam sehr schnell. Und am Ende war es doch auch "nur" ein Telefon mit Internetzugang, oder eben doch nicht?

Jetzt kann man einwenden, Renault hat jetzt schon den ZOE im Programm mit 300km realistischer Reichweite und der Chevy Bolt schafft 200Meilen (320km) was soll denn da das Model 3 noch? Es wurde doch schon ausgebootet. Das sehe ich nicht so, denn der (oder die?) ZOE wie auch der Chevy Bolt sind Fahrzeuge, die mit einem Benziner- oder Diesel-Motor ca. 25'000.-- bis max. 30'000.-- kosten würden und jetzt als Elektroauto ca. 40'000.-- ein satter Aufpreis für ökologische Mobilität, der nicht jede(r) bereit zu bezahlen ist. Das Model 3 wird ein Auto, welches in seiner Ausstattung und Qualität auch als Benziner 40'000.-- kosten würde und DAS ist der grosse Unterschied. Es wird in der Liga BMW 3er Serie und Audi A4 spielen, die gut ausgestattet sogar einiges teurer sind. Ich würde eine Wette eingehen, dass die Model 3 Performance Variante, alle BMW und Audi Performance Modelle in den Schatten stellen wird, zu einem erst noch besseren Preis. Somit wird das Bekenntnis zur E-Mobilität kein finanzielles oder ökologisches, sondern auch ein ökonomisches. Sauberer, besser und nicht teurer, das wird die Revolution.

Zudem plant GM mit dem Bolt ca. 30'000 Stück abzusetzen, kein sehr ehrgeiziges Ziel wenn man bedenkt, dass Elon Musk von 400'000 bis 500'000 Model 3 in 2018 spricht. Wie seinerzeit der VW Käfer das erste Volksauto war, wird das Model 3 wohl das erste Volks-Elektroauto, davon bin ich überzeugt. Ich bin gespannt auf 2017/2018.

Keine Kommentare: